Ob unsere demokratische Staatsordnung in bestimmten Abschnitten der Zeitgeschichte nach 1949 in Westdeutschland/BRD tatsächlich irgendwann ernsthaft gefährdet war, ist zu bezweifeln. Dafür sorgte allein bereits die Anwesenheit der drei früheren ( selbst demokratisch verfassten ) Besatzungsmächte. Trotzdem glaubte man es zeitweise – beispielsweise zu Zeiten der RAF . Viele haben in der Gegenwart wieder das Gefühl – nämlich, dass die Demokratie hier und jetzt gefährdet ist.
Als es seinerzeit nach den Studentenkrawallen von 1968 und unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt schien, dass die damaligen Studenten entsprechend ihrer Parole von dem „Marsch durch die Institutionen“ tatsächlich in die Verwaltung und dem Schuldienst einzusickern begannen, wehrte sich die Staatsmacht. Als rechtliche Basis legte sie die Legaldefinition des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes von 1952 zugrunde, von der ein operationalisierter Begriff der „Freiheitlich Demokratische Grundordnung“(FDGO) abgeleitet wurde. Allen, die seinerzeit den Ansprüchen der FDGO nicht genügten, wurden als Staatsfeinde der Zugang zu Staatsämtern untersagt.
Nach verschiedenen Unterrichtsmaterialien für den Politikunterricht in Hamburger Berufsschulen in der damaligen Zeit lässt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung ( kurz FDGO) als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss von jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und der Gleichheit darstellt .
Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen:
Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung,
die Volkssouveränität,
die Gewaltenteilung,
die Verantwortlichkeit der Regierung,
die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
die Unabhängigkeit der Gerichte,
das Mehrparteienprinzip
und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßiger Bildung und Ausübung einer Opposition.
Angesichts dieser Auflistung der Elemente der FDGO fällt auf, dass in der Gegenwart ganz offensichtlich staatliche Stellen, denen eigentlich die Einhaltung und Sicherung der FDGO obliegt, immer wieder völlig ungeniert dagegen verstoßen. Die AfD musste sich wiederholt das Recht auf Gleichbehandlung mit den Altparteien erkämpfen und in vielen anderen Bereichen dauert diese Ungleichbehandlung massiv an, ohne dass die Rechtsprechung eingeschritten ist bzw. einschreiten konnte. Man könnte glauben, dass in der Gegenwart die gesinnungsmäßigen Feinde der FDGO nicht unter den jungen Universitätsabsolventen und Stellenbewerbern sondern in den Altparteien, der Presse, der Rundfunkanstalten und sogar der Parlamente selbst usw. zu finden sind.
Man hat fatalerweise den Eindruck, dass nach dem Ende der linksterroristischen RAF die Grundsätze der FDGO immer weniger durchgesetzt wurden, so dass man glauben kann, dass sich heute Teile des linken bis linksextremistischen Gedankenguts in das Denken und Handeln von Beschäftigten in bestimmten Bereichen, besonders der Schulen und der Medien eingeschlichen hat.
Dazu passt, dass die Grünen- weitgehend eine weitere sozialistische Partei – auf Kosten der SPD stark gewachsen ist und die Linke ( umgetaufte SED) sich weiter behauptet hat, die CDU andererseits sozialdemokratisiert wurde und die FDP geschrumpft ist. Damit hat sich der politische Schwerpunkt in der BRD nach links verschoben. Das hat dazu geführt, dass eine größere Intoleranz gegenüber anderen Meinungen Einzug gehalten hat, größer als von Konservativen oder Liberalen nach dem Zweiten Weltkrieg ausging.
Wie kann man sich dieses undemokratische Bewusstsein der linken Parteien erklären? Plausibel erscheint, dass die Grundzüge einer sozialistischen Ausrichtung religionsersatzähnlichen Charakter hat. Dieser führt dazu, dass bestimmte Überzeugungen -wie bei Religionen zwingend – den Status von endgültigen Wahrheiten bekommen. Dadurch werden andere Ansichten intolerabel und die Anhänger dieser Sichtweisen gleich mit. Andere Ansichten und Lösungsansätze für gesellschaftliche und staatliche Probleme nehmen folglich den Charakter von Gotteslästerungen an. Mit der Ausbreitung der Grundzüge des Sozialismus nimmt auch die Geltung des Prinzips „ Politische Korrektheit“ zu. Klarer als vorher nehmen mit ihrer zunehmenden Anzahl auch die Gläubigen die Verstöße gegen die Prinzipien der „Politischen Korrektheit“ wahr und sind immer weniger bereit, diese – trotz des Lippenbekenntnisses zu demokratischen Prinzipien, die Toleranz erfordern – hinzunehmen. Oder anders formuliert: Die Anzahl der Fettnäpfchen, in die man treten kann, wird immer größer, deren Umfang nimmt zu und schließlich steigt auch die Empörung über diejenigen, die mit oder ohne Absicht dort hineingetreten sind. Und das korreliert mit der steigenden Anzahl der Pharisäer, die sich entrüsten. Der Staat wird aufgefordert, etwas gegen die angeblich steigende Anzahl von Bösewichtern zu tun. Eine Gesetzgebung gegen zweifellos sozialschädliche Entwicklungen verfehlt im Regelfall ihren eigentlichen Zweck – führt aber zu Einbußen bürgerlicher Freiheit. Das wird unweigerlich bei den Gesetzen gegen die Verbreitung von Hass in den Netzen so sein. Die Gefahr ist zwar bekannt, aber das scheint keine Rolle zu spielen.
Zum Abschluss soll eine sehr viel zitierte Aussage von Heinrich Heine zitiert werden. Sie fällt einem immer wieder ein:
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um meinen Schlaf gebracht!“
Dr. Klaus Wieser