Man merkt die Sommerpause. Die CDU bringt wieder unausgereifte Ideen für den Hafen unters Volk. Die neueste Idee aus dem Hause Thering greift das Sonntagsfahrverbot für Lkw auf. Dieses soll zur Entlastung des Hamburger Hafens ausgesetzt werden. Auf den ersten Blick mag das Sinn ergeben. Der Hafen wird leer, Gebühren für parkende Container werden reduziert, Fahrzeuge werden effizienter genutzt.
Schauen wir uns die einzelnen Punkte doch einmal genauer an. Als erstes haben wir einen Hafen, der mehr Platz für eingehende Container bietet. Die Hauptaufgabe des Containerhafens ist der Umschlag. Je länger ein Container also herumsteht, desto weniger Platz für den Umschlag ist im Hafen vorhanden. Macht augenscheinlich Sinn, oder etwa nicht? Nur zum Teil. Die Hauptaufgabe jedes Hafens ist unbestritten der Güterumschlag. Dabei allein auf mehr Abtransport durch LKW Fahrer zu setzen weißt auf eine Blauäugigkeit hin, die man weder von der Chefin der HHLA noch der Hamburger CDU, die für sich in Anspruch nimmt, die Sprecherin des Hamburger Hafens zu sein, nicht erwarten sollte.
Dass Container zu lange im Hafen stehen, liegt das an mehreren Faktoren. Zum einen an krankheitsbedingten Ausfällen von Personal (Corona), das sich aufgrund der politischen Entscheidung im Senat während einer Erkrankung selbst ohne Symptome für mindestens fünf Tage in Isolation zu begeben hat. Noch dazu einer Erkrankung, die vom Senat selbst als mit einem weniger schweren Verlauf und ohne Überlastung der Krankenhäuser beschrieben wird. Ein weiterer Punkt ist in den Unternehmensentscheidungen zu suchen, die aus Kostengründen billige Fahrer aus dem Ausland anstellen. Wenn diese aufgrund höherer Gewalt entfallen (Ukraine & Belarus), fehlen diese plötzlich und stürzen die Logistikbranche ins Chaos. Derzeit fehlen bis zu 100.000 LKW Fahrer deutschlandweit. Aber nicht nur die LKW Fahrer sorgen für einen reibungslosen Güterumschlag im Hafen. Auch die Bahn hat einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am Gütertransport vom und zum Hamburger Hafen. Über den Ausbau der Bahnstrecken und die Personaldecke der verschiedenen öffentlichen oder privaten Bahnunternehmen brauchen wir uns hier nicht auslassen. Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über die Situation der Bahn medial berichtet wird. Ob Marschbahn, Digitalisierung oder Nahverkehr, die Bahn hat viele Baustellen. Keine davon ist ohne einen hohen Einsatz von Personal und Finanzmitteln zu überwinden.
Abtransportierte Container aus dem Hamburger Hafen müssen auch sonntags irgendwo angeliefert werden. Nur wo? Jedes Unternehmen – egal ob im Güterumschlag, als Zwischenhändler, oder als Produktionswerk – müsste in diesem Fall sonntags Mitarbeiter beschäftigen, welche die Zollabwicklung für die anliefernden Fahrer bearbeiten. Eine Bearbeitung von Zolldokumenten muss zwingend innerhalb von drei Tagen abgeschlossen werden. Das bedeutet in nicht wenigen Fällen, dass hunderte bis tausende Arbeitnehmer Sonntagsschichten fahren müssen, die für die Unternehmen einen erheblichen Mehraufwand und damit Mehrkosten verursachen, die im Endeffekt mit Aufschlägen an den Endverbraucher weiter gegeben werden müssen. Personalkosten gehören in Deutschland zu den größten Bilanzposten der meisten Firmen. Diese ohne Not – nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit – zu verteuern (100% Zuschlag für Sonntagsarbeit) würde bedeuten dass statt Personalkosten für fünf oder sechs Tage plötzlich Personalkosten von bis zu 8 Tagen zu Buche schlagen würden. Wohlgemerkt bei gleichbleibendem Umsatz! Das wäre für viele Firmen nicht leistbar. Zudem müssten diese Arbeitnehmer auch zu ihrem Arbeitsplatz kommen. In vielen Industriegebieten Hamburgs ist der Arbeitsplatz sonntags nicht oder nur eingeschränkt zu erreichen. Die Folge wären mehr Autos auf den Straßen. Viele Menschen stünden am Wochenende nicht mehr primär für ihre Familien zur Verfügung. Das Familienleben müsste sich mehr an den Arbeitsplatz anpassen. Die ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Folgen wären unabsehbar, würden aber sicherlich schwerer wiegen als einige hundert Container, der zwei Tage länger herumstehen.
Die angeblich verbesserte Effizienz von eingesetztem Material (hier LKWs) ist fraglich. Ein Fahrzeug hat in der Regel eine begrenzte Lebensdauer in deren Anschluss sich ein ökonomischer Einsatz keinen weiteren Sinn ergibt (zunehmende Kosten pro gefahrenem Kilometer). Ob ein LKW nun am Sonntag oder am Montag bewegt wird, macht auf die Wirtschaftlichkeit des LKWs keinen Unterschied. Anders sieht es aus, wenn der LKW anstelle von sechs Tagen plötzlich sieben Tage im Einsatz ist. Ein früherer Verschleiß ist wahrscheinlich. Das Fahrzeug müsste früher ersetzt werden. Das wiederum hat höhere Kosten pro Jahr für das Unternehmen zur Folge, welche wiederum an den Endverbraucher weitergegeben werden.
Fazit:
Das Argument der Verteuerung der Waren durch die Standgebühren im Hafen spricht nicht für die Aussetzung des Sonntagsfahrverbots, sondern dagegen. Ebenso wirkt das Argument der verbesserten Effizienz durch erhöhten Materialeinsatz nur in einer Richtung: Mehrkosten für den Verbraucher. Die sozialen und gesundheitlichen Folgen wiegen unserer Meinung nach hierbei wesentlich stärker als ein möglicherweise verbesserter Güterumschlag im Hamburger Hafen. Die im Hafen ansässigen Unternehmen – allen Voran die HHLA – haben andere unternehmerische Mittel zur Verfügung, die sie einsetzen können. Die Aussetzung des Sonntagsfahrverbot für den stockenden Güterumschlag im heruntergewirtschafteten Hamburger Hafen zu fordern, ist keine Lösung für unternehmerischer Fehlplanung. Es geht nicht an, aus unternehmerischen Problemen, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu formulieren. Eine Verstaatlichung unternehmerischer Risiken ist mit uns nicht zu machen.